Seit dem Beginn der jüngsten Rohingya-Flüchtlingskrise und der Vertreibung von mehr als 700.000 Menschen von Myanmar nach Cox’s Bazar in Bangladesch sind zwei Jahre vergangen. Im Laufe der Zeit hat sich die Situation von einem akuten humanitären Notfall zu einer verlängerten Krise gewandelt, was neue Probleme für die Rohingyas und die Hilfsorganisationen mit sich bringt. Anhand von zwei Hauptproblematiken angesichts der verlängerten Natur der Krise – Gesundheit und Bildung- wollen wir hier einmal detailliert darstellen, welche Auswirkungen auf das tägliche Leben und die langfristigen Aussichten der Flüchtlinge in Cox’s Bazar diese haben.
Gesundheit
Genauso wie Migration ein sozialer Bestimmungsfaktor für Gesundheit ist, haben die Umstände und sozialen Gegebenheiten, in denen die Rohingyas in den Flüchtlingslagern leben, Auswirkungen auf den Gesundheitszustand. Beengte Lebensbedingungen, unzureichender Zugang zu Trinkwasser, guter Ernährung und sanitären Einrichtungen sowie der Mangel an sauberen Energieträgern für das Kochen sind alles wichtige Faktoren für einen schlechten Gesundheitszustand. Solche Zustände sind schon in einer Notfallsituation problematisch, aber wenn diese Situation länger andauert, sind auch die Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Bewohner stärker. So steigt beispielsweise das Risiko für den Ausbruch von Krankheiten sowie chronischen Erkrankungen. In den Camps würden bereits ansteckende Krankheiten wie Diphtherie, Durchfälle, Atemwegserkrankungen und Masern registriert.
Die alltäglichen Anforderungen an das Gesundheitssystem haben sich ebenso geändert und weiterentwickelt. Als die ersten Wellen der Geflüchteten ankamen, lagen die Prioritäten bei der Behandlung von Traumata und akuten Krankheiten sowie dem Aufbau von Behandlungszentren. Heute wollen längerfristige Bedürfnisse ebenso dringend versorgt werden und neben der Erstversorgung wird vermehrt fachärztliche Behandlung benötigt. Chronische Krankheiten wie beispielsweise Diabetes und Bluthochdruck müssen konstant behandelt werden, therapeutische Unterstützung für die Opfer von Traumata und Missbrauch muss zur Verfügung stehen, schwangere Frauen brauchen eine Versorgung vor und nach der Geburt und Kinder müssen geimpft werden. Die Gesundheitsversorgung im Flüchtlingslager muss diese geänderten Bedingungen in Betracht ziehen und ihre Leistungen entsprechend anpassen, was mit einer kompletter Neuausrichtung des ursprünglichen Notfallsystems einhergehen kann. Die Anbieter müssen daher die existierenden Einrichtungen neu bewerten und umstrukturieren. Allerdings treffen sie dabei auf Schwierigkeiten – die Gesundheitszentren sind nicht gleichmäßig auf die Lager verteilt, da sie während der Krise ad hoc aufgestellt wurden und keine lange Planung möglich war und die Lager unkontrolliert gewachsen sind. Für Rohingya-Flüchtlinge, die in weiter entfernten Lagern wohnen, gibt es oft keine Gesundheitsversorgung. Dazu kommt die Gefahr von Epidemien oder epidemieartigen Krankheitsausbrüchen, mit denen die Gesundheitszentren oft nicht fertig werden können, sowie die oft limitierten Möglichkeiten, chronische Krankheiten zu behandeln.
Bildung
Seit ihrer Ankunft in Bangladesch durften Kinder und junge Leute keine Regelschulen besuchen. Die Regierung von Myanmar hat Rohingya-Studenten zudem verboten, nach dem burmesischen Lehrplan weiterzustudieren. Dazu kommt, dass die Regierung von Bangladesch weiter auf ein baldiges Abkommen zur Rückführung hofft und daher zögert, Rohingya-Schüler in ihr Schulsystem zu integrieren. Sie hat Schülern bereits verboten, nach dem bangladeschischen Lehrplan weiterzumachen oder die Sprache zu lernen. Allerdings scheint eine praktikable Rückführungslösung in weiter Ferne, nachdem der letzte Versuch am Widerstand der Rohingya scheiterte – die Behörden in Myanmar hatten es abgelehnt, ihnen für den Fall der Rückkehr ihre Rechte zuzugestehen. Der langwierige Charakter der Flüchtlingskrise führt dazu, dass eine ganze Generation junger Leute Jahre außerhalb jeglichen Schulsystems verbringen. Der Zugang zu erstklassiger Bildung ist das vierte Ziel auf der Agenda für nachhaltige Entwicklung und damit das Recht aller Kinder und Jugendlichen. Indem jungen Rohingyas die Schulbildung verwehrt wird, werden sie gleichzeitig jeglicher Möglichkeiten für intellektuelle, soziale und emotionale Entwicklung beraubt. Es limitiert ihre künftigen Berufsaussichten und verwehrt ihnen Sinnhaftigkeit, Würde und Stabilität nach ihrer Vertreibung. Es bringt sie außerdem in Gefahr: Frustrierte und marginalisierte junge Menschen laufen ein größeres Risiko, radikalisiert oder kriminell zu werden. Mädchen ohne Schulbildung werden eher zu Kinderehen gezwungen und laufen Gefahr, Opfer von Menschenhandel zu werden. Viele Studien haben gezeigt, das seine der stärksten demographischen Verbindungen diejenige zwischen dem Bildungsgrad von Müttern und der Kindersterblichkeit ist. Dies zeigt auf, dass seine verweigerte Schulbildung der Mädchen von heute nicht nur sie selbst, sondern auch die nächste Generation betrifft.
Nichtregierungsorganisationen und Gemeindegruppen versuchen, die Lücke zu schließen und eine Basisschulbildung im Cox’s Bazar anzubieten. Allerdings sind diese Organisationen nicht offiziell anerkannt, so dass auch erworbene Abschlüsse nicht von offizieller Stelle her akzeptiert werden. Ferner wird nicht überall das gleiche Angebot und Ausbildung angeboten und es gibt keinen festen Lehrplan. Dies hat zur Folge, dass die Qualität der Basisschulausbildung zwischen den verschiedenen Anbietern sehr stark variiert und sich oft nicht an den Bedürfnissen der Schüler orientiert. Selbst dieses begrenzte Angebot an Schulbildung ist von der bangladeschischen Regierung nur auf Grundschulniveau erlaubt und lässt ältere Kinder und Jugendliche ohne jegliche Form von Bildung zurück. Von den 530.000 Rohingya-Flüchtlingen im Schulalter, die in den Lagern von Cox’s Bazar leben, hat nur ein Viertel Zugang zu Bildung jeglicher Art.
Während die Rohingya auf eine nachhaltige, langfristige Lösung warten, muss mehr getan werden, um ihre unmittelbaren Bedürfnisse zu unterstützen und zu decken. Die jetzt verlorenen Chancen werden sich weit in die Zukunft hinein auswirken – das Leben kann nicht durch Vertreibung gestoppt werden. Die früheren Gesundheitsmissionen des MOAS und die aktuellen Trainingsprogramme bieten wichtige Unterstützung und Kompetenzentwicklung in den Gemeinden. Wir werden weiterhin solidarisch zu den Rohingya stehen und innerhalb der Gemeinschaft Kapazitäten und Hoffnung aufbauen.